Geschichte des Waldbades

Verfasser: Rupert Ströbele (Orginalbrief)

Schon 1876 bestand in Neustadt eine Badeanstalt mit Wannen- und Brausebäder gegenüber dem heutigen Krankenhaus.  Später errichtete Kronberg auf dem Spiel- bzw. Knieberg ein Luftbad. Dies alles war bedingt durch das Sanatorium in dem höhergestellte Persön-lichkeiten zur Kur weilten.
Doch der erste Weltkrieg veränderte die soziale Struktur in Deutschland grundlegend. Die reiche Oberschicht verarmte zum großen Teil und konnte sich keine teure Kur mehr leisten. Nun wollte auch der einfache Mann baden und nach Möglichkeit auch schwimmen.
So gingen in Neustadt Ende der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts die Bestrebungen dahin ein Freibad zu errichten. Vom Standort her waren die Möglichkeiten sehr eingeengt, da nur der Gemeinde gehörende Flächen in Frage kamen.

So kam es zu nachfolgenden Versuchen und Provisorien.

1. Im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaß-nahmen wurde versucht im heutigen Lönspark durch Erdbaumaßnahmen im Terrain der beiden Teiche, ein Freibad zu schaffen. Anträge vom Gemeinderat an unseren damaligen Kreis Ilfeld und die zuständigen Behörden im Regie-rungsbezirk Hildesheim Provinz Hannover in den Jahren 1927 und 1928 belegen dieses Vorhaben, welches jedoch finanziell und an Einsprüchen scheiterte. Wahrscheinlich betrieb der damalige Gemeinderat die Angelegenheit nicht mit dem nötigen Nachdruck.

2. Selbsthilfe der Neustädter Jugend durch Anlegung eines „Badesumpfes“ wie wir ihn nannten. Durch Anstau des Hardtbaches (Steine, Rasenbatzen, Zweige usw.) in Höhe des Parkplatzes Waldbad, war in den Jahren 1925 bis 1935 an einer günstigen Stelle diese „Bade-möglichkeit“ entstanden.

3. Anlegung eines Badeteiches in der „Zapfkuhle“ (heute Biotop) durch Oberlehrer Otto Müller („Ami“) mit der Schuljugend etwa 1939 speziell für die „Ertüchtigung der Schuljugend“ zur Erlernung des Schwimmens. Das Wasser war zwar kalt aber die Anlage genügte den Ansprüchen.

4. Anlegung eines Badeteiches im ehemaligen „Tränketeich“ später Schafwaschteich am Beginn des „Kaiserweges“, heutigen Waldbad im Jahr 1949 durch Stau des Hardtbaches in Höhe Steg. Anlegung eines Grabens direkt am Waldrand „Kleiner Schlossberg“ entlang, bis in die Wiesenschenke. Es entstand ein Moorbad.

5. Bau des Waldbades (Spaten, Kreuzhacke, Schaufel, Schubkarren) am 1954 mit etwa 150 „Mann“. N.A.W. unter Leitung von Bürgermeister Fritz Deistung („Enkchen“), der auch Initiator war. Wenn auch die Beteiligung an den folgenden Einsätzen nachließ, so waren doch bei der Fertigstellung des Kanals immerhin noch etwa 40 bis 50 Personen tätig. Es wurde zunächst die Schachtung für den Abwasserkanal getätigt, etwa 4 m tief durch den ehemaligen Damm des Teiches bis in etwa 1 m Tiefe ca. 120 m Entfernung am Einlauf in den Hardtbach. Nach der Schachtung kam die Verlegung von 200 m Betonrohren. Der Beckenaushub wurde dann durch einen Bagger vom VEB Nobas getätigt. So viel ich weiß war es ein Erprobungsbagger auf kostenloser Basis. Der Handarbeitseinsatz beschränkte sich dann auf die Planierung des Baggeraushubs mit Schubkarren. Nach dem der Beckenaushub im nächsten Jahr (1955) vollendet war, begann die Nordhäuser Firma Knackstedt mit den Betonierungsarbeiten. Dieses Vorhaben war in etwa abgeschlossen, da brachten erhebliche Wassermassen, ausgelöst durch ein starkes Gewitter, die Nordwand durch Unterspülung zum Einsturz. Bei der Überprüfung des Betons stellte man fest, das ein zu armes Mischungsverhältnis angewandt worden war. Einer drohenden Verhaftung, die war damals vorprogrammiert, entzog sich der Firmeninhaber Knackstedt durch die Flucht in den Westen. Nun stellte sich außerdem heraus, dass die kostenwirksame Baumaßnahme unter dem Titel „Rekonstruktion“ gelaufen war. Finanzielle Mittel, die für den Ausbau des Gemeindesaales vorgesehen waren, waren für das Bad verwendet worden. Da eine Rekonstruktion nicht nachzuweisen war, es war ja kein Bad oder ähnliches bisher vorhanden, drohte unserem Bürgermeister wahrscheinlich eine empfindliche Bestrafung. Da aber die Kreisverwaltung die notwendige vorherige Kontrolle nicht durchgeführt hatte, wurde die Angelegenheit gütlich beigelegt.
In dieser zwischenzeitlich fast 2jährigen Pause hatte ein Häuflein Unentwegter von 10-12 Mann, unter der Anleitung von Gemeinderechnungsführer Otto Kiel, die Arbeiten trotz mancher Frotzeleien vorbeigehender Spaziergänger, wie „das wird ja doch nichts“ und ähnlicher dummer Bemerkungen die Arbeiten fortgesetzt.
Da in der Zwischenzeit schon einige Gelder verbraten worden waren und viele NAW-Leistungen vollbracht waren, fühlte der Kreis sich nun doch in der Pflicht, das ganze Unternehmen Freibad zum guten Ende zu bringen.
Nun wurde die Firma Karl Wilhelm Neu beauftragt die erforderlichen Betonierungsarbeiten durchzuführen, so dass Ende 1957 der Betonkörper fertig war.
Zuvor wurde noch der Bachlauf des Hardbaches um etwa 10-12 m nach Südwesten verlegt, um genügend Platz für das Becken und die Gebäude zu bekommen. Hierbei halfen, wie auch des Öfteren anderweitig, die Studenten des Institutes für Lehrerbildung. Die Planierungsarbeiten  des Aushubs vom Becken konnten beendet werden. Nun konnte auch an die Planung der Außenanlagen gedacht werden, so dass das Winterhalbjahr der Vorbereitung aller anderen notwendigen Arbeiten galt.
Da der Erfolg greifbar nahe war, stand nun der Ort voll hinter den nun notwendigen Maßnahmen und Arbeiten. In den Waldungen unserer drei Forstgenossenschaften, 102, Harzfeld und Günzdorf wurden Fichten gefällt, abtransportiert zu dem Sägegatter von Kurt Müller (Mühle) und zu Kanthölzern und Brettern geschnitten für die Umkleidekabinen, Kassen- und Bademeisterhaus, fast alles kostenlos als Spende für das Bad. Die Transporte führte hauptsächlich Gert Gillert aus, langjähriges Ratsmitglied. Der Winter war kaum beendet, da begann am zukünftigen Bad ein emsiges Treiben. Manche Nordhäuser, die vorbeikamen, sagten: „Das schafft Ihr nie bis zum Sommer!“ Doch wenn wir Neustädter uns etwas vorgenommen haben, dann schaffen wir das auch!
Nicht nur zu den Wochenenden, auch in der Woche abends wurde „gewippt“!
So konnte am 15. Juni 1958 bei schönem Wetter unser „Roland“ Franz Gerlach zusammen mit unserem Bürgermeister Fritz Deistung ein Tipp top gelungenes Bad unseren Neustädter Bürgern und den vielen Kurgästen übergeben. Zu diesem Anlass wurde an einige Unentwegte, für jeweils mehr als 250 Aufbaustunden am Bad, die goldene Aufbaunadel verliehen.

Ruppert Ströbele

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